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Neue Studien: Was ohne Corona-Hilfen in Österreich passiert wäre

Milliardenschwere Pakete wurden 2020 und 2021 aufgesetzt, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Zwei Studien belegen nun: ohne Corona-Hilfen hätte es Massenpleiten und Massenarbeitslosigkeit gegeben. Foto: istock / Stadtratte

Das Finanzministerium ließ die Corona-Förderungen der Jahre 2020 bis 2022 wissenschaftlich analysieren. Das Ergebnis lässt erahnen, was ohne Hilfspakete passiert wäre.

 

Es waren dramatische Zeiten für zehntausende Unternehmen und hunderttausende Arbeitsplätz, als im März 2020 das Corona-Virus rasant verbreitete und der erst Lockdown verhängt wurde. Österreich stand über Nacht still. Die Bundesregierung reagierte. Mit umfangreichen Hilfspaketen in Milliardenhöhe. Was haben die Wirtschaftshilfen gebracht? Diese Frage versuchte das Finanzministerium im Detail zu beantworten und gab zwei Studien in Auftrag. Die Ergebnisse regen zum nachdenken.

Ziel der Studien war es, die gesamtwirtschaftlichen Effekte der in den Jahren 2020 bis 2022 in Österreich ausbezahlten, öffentlichen COVID-Hilfsmaßnahmen in unterschiedlichen Szenarien zu quantifizieren, wobei vor allem das Spannungsfeld zwischen Geschwindigkeit und Treffsicherheit der Hilfen beleuchtet wurde. Durchgeführt wurden die Studien vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO in Zusammenarbeit mit EcoAustria, dem IHS und der Universität Wien und dem Wiener CESAR-Institut (Centre of Economic Scenario Analysis and Research).

In einem Simulationsmodell wurden vom WIFO die makroökonomischen Effekte der im Zuge der COVID-19 Pandemie implementierten Hilfsmaßnahmen untersucht. Dabei standen v.a. die Wirkung auf die Insolvenzvermeidung, auf die Arbeitsplatzentwicklung sowie auf die wirtschaftliche Erholung im Fokus.

 

Ohne Hilfen: Pleitewelle und Beschäftigungsverluste

Die Ergebnisse zeigen, zu welche Folgen es ohne Corona-Wirtschaftshilfen gekommen wäre. Laut Berechnungen der Experten wären bis Ende 2021 rund 37.400 Unternehmen illiquid geworden. Das entspricht mehr als 10 % aller heimischen Unternehmen. Damit wäre direkt ein Beschäftigungsverlust von 203.100 Personen, oder 6,8 % aller Beschäftigten, einhergegangen. Weitere Beschäftigungsverluste wären auch in den mit den illiquiden Unternehmen verbundenen Unternehmen zu erwarten, wodurch die Zahl ohne Corona Hilfen in Summe noch höher ausgefallen wäre. Zudem zeigte sich, dass die Hilfen primär kleinen und mittleren Unternehmen zugutegekommen sind, wie das Finanzministerium in einer Aussendung erklärte.

„In unserem Studienbeitrag zeigte sich, dass von den finanziellen Hilfen, vor allem Klein- und Mittelbetriebe, die üblicherweise stärker von Insolvenzen betroffen sind, profitieren konnten“, erklärt Mag. Dr. Marcus Scheiblecker, einer der Studienautoren.

 

Starker Anstieg des BIP

Der zweite Teil der Studie untersucht die Auswirkungen der Maßnahmen auf das BIP-Wachstum, das Konsumwachstum und die Beschäftigung, unter anderem im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Es zeigt sich ein robuster Zusammenhang zwischen dem Umfang der fiskalischen Maßnahmen zur Abfederung der COVID-19 Krise und der Stärke der darauffolgenden wirtschaftlichen Erholung.

Die Schätzungen ergeben einen starken Anstieg des realen BIP aufgrund der Corona-Hilfen bereits im Folgejahr. Demnach ist das BIP durch die Maßnahmen 2020 im Jahr 2021 um 2,75 % bis 3,33 % angestiegen. Dieser Effekt ist gleich bzw. leicht stärker als in anderen EU-Ländern. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, zeigten sich in Österreich höhere positive Effekte als im EU- Durchschnitt.

Die CESAR-Studie vergleicht im Unterschied verschiedene Szenarien. Zum einen ein „Counterfactual“- Szenario, in dem die negativen ökonomischen Folgen der Lockdowns (kurz- und langfristig) voll wirken, ohne dass Hilfszahlungen durch den Staat erfolgt wären; sowie zum anderen ein „Baseline“-Szenario, das die über das Bundesministerium für Finanzen administrierten COVID-Hilfsmaßnahmen enthält. Dieses Szenario entsprach der tatsächlichen Entwicklung und sollte in den Ergebnissen daher nahe an den Daten der tatsächlichen Entwicklung liegen.

 

Ohne Corona Hilfen, doppelt so hohe Arbeitslosigkeit

Die Kernaussagen der CESAR-Studie bestätigen das WIFO-Ergebnis und zeigen, dass die COVID-Maßnahmen der Bundesregierung substanziell zur Sicherung der österreichischen Wirtschaft beigetragen haben. Konkret kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Arbeitslosigkeit 2020 ohne staatliche Hilfen mehr als doppelt so hoch gewesen (12,2 % statt 6 %) und auch heute noch immer substanziell höher wäre (7,1 % zu 5 %). Ebenso wären der private Konsum, Investitionen und das BIP deutlich niedriger gewesen. Hätte der Staat keine umfangreichen Hilfsmaßnahmen gesetzt, wäre es zu mehr Insolvenzen, dadurch mehr verlorene Arbeitsplätze und einem Einbruch bei Konsum und Investitionen gekommen.

Die kräftige und rasche wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie wäre nicht möglich gewesen und die Wirtschaftsleistung wäre 2022 ohne Maßnahmen um rund 2 Prozentpunkte oder 8 Mrd. Euro geringer als mit den gesetzten Maßnahmen und die Wirtschaft in Österreich wäre auf viele Jahre gedämpft. Dadurch wäre auch ohne staatliche Hilfsmaßnahmen das Budgetdefizit kumuliert bis 2023 um fast 60 Mrd. Euro gestiegen.

„Die Studie zeigt, dass es durch die Hilfen zu einer entscheidenden Stabilisierung von Beschäftigung und Einkommen gekommen ist, die den Aufschwung 2021 und 2022 in dieser Form erst möglich gemacht haben. Das Budgetdefizit wäre ohne Hilfen auch signifikant angestiegen“, erklärt Univ.-Doz. Dr. Kurt Kratena.

 

Dank Hilfen fast 200.000 Menschen MEHR in Beschäftigung

Die Studie kommt außerdem zu dem Schluss, dass die Beschäftigung ohne Unterstützungsmaßnahmen substanziell zurückgegangen wäre. Alleine 2020 wäre die Beschäftigung um über fast 350.000 eingebrochen, und aktuell wäre die Beschäftigung noch immer fast 60.000 Personen unter dem Vorkrisenniveau. Durch die staatlichen Hilfen konnte die Beschäftigung stattdessen um mehr als 120.000 Personen seit 2019 gesteigert werden, das entspricht also einer Differenz von rund 185.000 Beschäftigten 2022. Der Großteil des Beschäftigungseffekts entfällt zwar auf die Kurzarbeit, allerdings wurden jährlich auch im Durchschnitt 65.000 Arbeitsplätze direkt durch die COFAG Hilfszahlungen, wie etwa Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz, gerettet.

 

Brunner: „Konnten Schaden an Gesellschaft und Wohlstand vermeiden

Zufrieden mit den Studienergebnissen zeigt sich Finanzminister Magnus Brunner.

„Wie die meisten Länder hat auch Österreich viel Geld in die Hand genommen, um Arbeitsplätze und Betriebe zu retten und den Schaden für die Volkswirtschaft bestmöglich zu begrenzen. Der Staat und seine Institutionen waren mit einer außergewöhnlichen Notsituation konfrontiert, in der Menschen und Unternehmen rasch mit Liquidität versorgt werden mussten. Trotz teilweise berechtigter Kritik an einzelnen Hilfsinstrumenten bezüglich ihrer Treffsicherheit, zeigt sich in Summe, dass gerade durch das schnelle und intensive Reagieren des Bundes großer wirtschaftlicher Schaden an unserer Gesellschaft und unserem Wohlstand abgewendet werden konnte. Großflächige Insolvenzen und eine Massenarbeitslosigkeit wurden dadurch verhindert. Darauf können wir nach der Pandemie aufbauen und das gibt uns die Möglichkeit, auch in der Inflations- und Energiekrise zu helfen“, so der Finanzminister.

 

Schnelligkeit bei Hilfen hat sich ausgezahlt

Die Studie hat auch untersucht, ob die rasche Auszahlung der Hilfen besser gewirkt hat, als eine treffsichere, aber dafür langsamere (da genaue Daten noch nicht verfügbar sind, etc.) Auszahlung. Generell besagt eine der Studien, dass die gesetzten Hilfsmaßnahmen durch die Schnelligkeit in etwa so gut wirkten, wie das treffsicherere Maßnahmen auch getan hätten womit kein gesamtwirtschaftlicher Nachteil entstand. Interessanterweise zeigt diese Studie auch, dass eine Einsparung bei den Auszahlungen durch treffsicherere Maßnahmen, die länger gedauert hätten, trotz einer direkten Einsparung bei den Hilfszahlungen, durch die langsamere Wirksamkeit zu Mehrbelastungen für das Budget von kumuliert mehr als 1,5 Mrd. Euro geführt hätten.

 

Datenschnittstelle soll Treffsicherheit erhöhen

Wiewohl diese Studie zeigt, dass angesichts der Dynamik in der Corona-Pandemie rasche Hilfe notwendig war, ist ein zentrales Ziel des Finanzministeriums die Datenqualität zu verbessern, um künftig zielgerichtete Hilfen je nach Betroffenheit zur Verfügung stellen zu können. Das Problem der fehlenden Datenverschneidungen hat sich insbesondere in der aktuellen Energiekrise gezeigt. Das Projekt ist unter enger Abstimmung mit Experten im Finanzministerium bereits am Laufen.

Milliardenschwere Pakete wurden 2020 und 2021 aufgesetzt, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Zwei Studien belegen nun: ohne Corona-Hilfen hätte es Massenpleiten und Massenarbeitslosigkeit gegeben. Foto: istock / Stadtratte
Milliardenschwere Pakete wurden 2020 und 2021 aufgesetzt, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Zwei Studien belegen nun: ohne Corona-Hilfen hätte es Massenpleiten und Massenarbeitslosigkeit gegeben. Foto: istock / Stadtratte