Parlament

Nationalratspräsident Sobotka zieht Fazit der „Tagungsperiode der Rekorde“

Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

Am Montag zog Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eine Bilanz der Tagungsperiode des Nationalrates, die mit einer Sondersitzung endete. Dabei ging Sobotka neben einer Leistungsbilanz in der Gesetzgebung besonders auf sein Fazit zum Ibiza-U-Ausschuss ein: Er spricht von Entrüstungen, vielen Strafanzeigen und Vorverurteilungen. Nicht zufrieden zeigte sich Sobotka mit den Aktenlieferungen, die Grundrechte „massiv beeinträchtigt“ haben. Sein Dank gilt besonders den Verfahrensrichtern, bei einem nächsten Ausschuss würde er wieder den Vorsitz übernehmen. 

 

56 Sitzungen, 105 Auskunftspersonen, 2,7 Millionen Aktenseiten

Der Ibiza-U-Ausschuss sorgte regelmäßig für Schlagzeilen, mit 15. Juli endete er. Eine letzte Zusammenkunft des Ausschusses Mitte September soll der Behandlung eines Ausschussberichtes dienen. Doch nicht von allen Seiten wird der Ausschuss als konstruktiv betrachtet. Kritik gab es an der Instrumentalisierung von politischen Anzeigen und am Umgang der Opposition mit privaten Daten.

Das endgültige Fazit will der Vorsitzende des Ausschusses, Wolfgang Sobotka – wie auch die Parteien – in seinem Bericht ziehen. Gegenüber der Presse ging Sobotka auf die bisherigen bezifferbaren Ereignisse um den U-Ausschuss ein. Der U-Ausschuss tagte in 56 Sitzungen, 105 Auskunftspersonen gab es, von denen einigen mehrmals geladen wurden. 2,7 Millionen Aktenseiten wurden ausgewertet.

 

Sobotka: Ausschuss brachte „Strafanzeigen und Vorverurteilungen“

Was der U-Ausschuss laut Sobotka sonst noch gebracht habe seien Rücktritte, Suspendierungen sowie Auseinandersetzungen zwischen den zuständigen Staatsanwaltschaften. Außerdem gab es „Strafanzeigen und Vorverurteilungen“. Sobotka selbst wurde in vier Fällen angezeigt, jede dieser vier Anzeigen wurde fallengelassen.

Problematiken erkennt der Nationalratspräsident zudem anhand der Tatsache, dass durch das höchstgerichtliche Urteil über die „abstrakte Relevanz“, ungeheure Mengen an Daten geliefert wurden. Zur vieldiskutierten Aktenlieferungen durch das Finanzministerium merkte Sobotka an, dass es sich aus vielen Gründen als Herausforderung herausstellte, gerade auch wegen des Umfangs der angeforderten Daten. Der U-Ausschuss habe nicht die Kompetenzen eines Gerichtes. Aus dem Justizministerium würden noch Akten fehlen. Eine Verhöhnung des Parlaments sieht Sobotka demnach nicht.

Den gelieferten Chats habe es, so Sobotka, teilweise an Relevanz gefehlt. Andererseits seien die Chats des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache nicht an den Ausschuss geliefert worden. Dabei erinnerte Sobotka daran, dass es sich bei Strache ja eigentlich um den Namensgeber des Ausschusses handelt: Durch die Ibiza-Affäre von Strache und Johann Gudenus (beide ehem. FPÖ) wurde der Ausschuss erst initiiert.

 

Kritik an Leaks, Grundrechte „massiv beeinträchtigt“

Ein weiteres ständiges Thema um den U-Ausschuss waren die Leaks. Sobotka erkannte, dass die Presse von diesen Leaks im Rahmen der Berichterstattung um den Ausschuss „in ganz besonderer Art und Weise“ lebt. Man wisse bis heute nicht, wo die Leaks letztendlich stattgefunden haben. Jedenfalls gäbe es zahlreiche Anzeigen gegen Unbekannt. Und von manchen Seiten werden Leaks als notwendig erachtet. Hier waren es etwa die NEOS, die sich öffentlich zu Leaks bekannten.

Insgesamt seien laut Sobotka die Grundrechte „massiv beeinträchtigt worden“. Seinen Dank richtete der Nationalratspräsident an alle, die mitgearbeitet haben und „vor allem die Verfahrensrichter“. Zusammenfassend meinte Sobotka, es sei offensichtlich, dass „die einzelnen Themen unterschiedlich bewertet wurden.“

Sitzungsjahr der Rekorde

„Auch in krisenhaften Zeiten ist auf den Parlamentarismus in Österreich Verlass“, sagte Sobotka in einer Bilanz über das zu Ende gegangene Parlamentsjahr 2020/2021 laut Parlamentskorrespondenz. Ein funktionsfähiges Parlament „stärkt das Vertrauen in die Politik„. Mit insgesamt 231 Gesetzesbeschlüssen sei es ein „Jahr der Rekorde“ gewesen, das weiterhin durch die Corona-Krise geprägt sei. Auch die Zahl von 70 Sitzungstagen sowie 221 Ausschusssitzungen habe es in der Zweiten Republik noch nie gegeben.

Neben der Pandemiebekämpfung sei ein weiteres wesentliches Thema der Kampf gegen den Antisemitismus gewesen. Dies sei jedoch kein Phänomen eines einzelnen Landes, sondern mittlerweile ein europäisches Thema geworden, unterstrich der Nationalratspräsident. Die Antisemitismus-Studie des Parlaments habe etwa gezeigt, dass vor allem Bildungsangebote gegen antisemitische Einstellungen wirkten. An den diesbezüglichen Workshops des Parlaments haben bisher rund 3.200 SchülerInnen und Lehrlinge teilgenommen. Zudem wolle man mit dem Simon-Wiesenthal-Preis die Zivilgesellschaft ermuntern, sich gegen Antisemitismus auszusprechen.